Adorno - Behrens
Adornos Kritik, Essay von Roger Behrens (2011, Auszüge), geb. 1967 dtsch. Pihilosoph u. Sozialwissenschaftler
"An der Diagnose der Kulturindustrie von Theodor W. Adorno in seiner "minima moralia" ist richtig und gilt heute immer noch, dass sie auch die Kunst in Ware verwandelt. Dennoch geht das, was gegenwärtig passiert, was sich in den vier Jahrzehnten nach Adornos Tod entwickelt hat und sich freilich bereits zu seinen Lebzeiten abzeichnete, über die Kulturindustrie weit hinaus.
Das, was Adorno den Wahrheitsgehalt genannt hat, ist nur noch eine Akzidenz (das Beiläufige, was einer Sache nicht wesentlich zukommt). Damit verliert Kunst allerdings ihre Sprengkraft, und es bekommt etwas naives, gegenwärtig ausgerechnet von der Kunst etwas Radikales, Utopisches, Emanzipatorisches zu verlangen. Der Wahrheitsgehalt hat nämlich zu tun mit Kritik, beziehungsweise Kritikfähigkeit der Kunst.
Die »Kunst heute«, von der Adorno spricht, scheint vielmehr bloß Erinnerung an die der Kunst des neunzehnten Jahrhunderts zu sein; im zwanzigsten Jahrhundert, so der drastische Befund, unterliegt Kunst als kritische Instanz der ökonomischen Verwertungslogik, ist vollkommen in die »verwaltete Welt« integriert. Ungewiss, ob Kunst überhaupt noch möglich sei; ob sie, nach ihrer vollkommenen Emanzipation, nicht ihre Voraussetzungen sich abgegraben und verloren habe.
Je totaler die Gesellschaft, um so verdinglichter auch der Geist und um so paradoxer sein Beginnen, der Verdinglichung aus eigenem sich zu entwinden.
Nicht die Kunst steht auf dem Spiel, sondern die Gesellschaft."